Durch die soziale Isolation in der Corona Krise steigt der Pornokonsum. Das ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass gerade viele Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen als sonst.
Sucht man aktuell im Internet nach Pornos, so stößt man auf einen eher außergewöhnlichen Trend: Corona Porn. Ist die Pornoindustrie jetzt plötzlich kreativ geworden?
Kreativ sind Corona-Pornos leider wirklich nur auf den ersten Blick. Alleine das Lesen der Titel macht die anhaltende Homogenität des Massenprodukts Porno offensichtlich:
“Fiona Fuchs sells herself for toilettpaper #coronavirus”
“Teen faking corona virus fucked by creepy security”
Fiona verkauft ihren Körper an fremde Männer und wird dafür in Klopapier bezahlt. Zwei Mädchen werden von einem Security erwischt und müssen mit ihrem Körper bezahlen, damit er nicht die Polizei ruft. Nachdem sie vergeblich eine Corona-Infektion vortäuschen und mehrmals Nein sagen, lassen sie den sexuellen Übergriff widerwillig über sich ergehen.
Wenn das Patriarchat Regie führt
Eines ist klar: Von den oberflächlich bunten Sexclips hat der Großteil genau ein Drehbuch.
Mann trifft Frau. Frau lutscht Schwanz mit schrecklich lauten Würgegeräuschen. Das geht dann so, bis die Frau so aussieht, als würde sie sich gleich übergeben. Nun wird die Frau in verschiedenen Stellungen penetriert. Ohne Küssen, ohne sonst etwas Menschliches. Der Mann hat einen Orgasmus und ejakuliert der Frau auf den Hintern, die Brüste oder gleich direkt ins Gesicht. Ende. (Vorausgesetzt dass nicht das Sperma noch genüsslich abgeleckt wird. Natürlich von der Frau, lecker!)
Der Orgasmus der Frau interessiert niemand so richtig.
Im Mainstream-Porno sind Frauen Lustobjekte ohne freien Willen. Der Blick auf das Geschehen erfolgt nahezu ausnahmslos aus dem Blickwinkel des Mannes. Sexualität wird, sogar in Lesben-Pornos, fast ausschließlich aus heteronormativer Perspektive porträtiert.
In den Hauptrollen sind Männer, die immer können. Mit riesengroßen Penissen. Die Nebenrollen spielen ausgehungerte junge Frauen mit haarlosen Vulven und Silikonbrüsten. Sie sehen untenrum aus wie eine Semmel: Straffe äußere Vulvalippen, die inneren klein und gut versteckt.
Anus ebenfalls haarlos und “bleach perfect”, denn dort wird schließlich der riesengroße Penis zwischendurch immer mal wieder rein gesteckt. Vagina, Anus, Anus, Vagina. Und das natürlich ohne den Penis dazwischen zu waschen oder ein Kondom überzuziehen. Kondome sind schließlich in Pornos sogar noch unterrepräsentierter als Frauen* bei den Oscars - und das will was heißen.
Nachfrage und Angebot - Wer bestimmt hier wen?
Mich macht so was nicht geil. Nur wütend. Was vielleicht daran liegen mag, dass ich keinen Penis habe. Denn schließlich werden die meisten Pornos von Männern für Männer gemacht. Wir kennen das alte Spiel: Nachfrage bestimmt das Angebot. Oder nicht? Was ist, wenn das Angebot die Nachfrage bestimmt? Was wenn Jugendliche durch Pornos lernen wie Sex funktioniert? Wenn die Bilder, die wir uns regelmäßig reinziehen unsere Sex-Normen prägen? Wenn diese Filme entscheiden welche Art von Vulva wir als schön oder ästhetisch empfinden? Wenn Pornos uns Skripte für das eigene Schlafzimmer vorgeben?
Fakt ist, dass Pornos, die man heute en masse kostenfrei im Internet konsumieren kann, einen ungemein großen Beitrag zur Zementierung ungerechter Geschlechterverhältnisse leisten.
Pornos beeinflussen welche Körperbilder wir als erstrebenswert empfinden. Sie prägen unser Frauen- und Männerbild (binär, hier absichtlich) und vermitteln dabei ein sehr beschränktes Verständnis von Sexualität und Körper.
Aber, Sex ist mehr als Penis in Vagina und Cumshots. Sex ist schön. Und Pornos sind nicht per se böse. Auch wenn der Text bisher so klingt, als wäre ich Team PorNo.
Es gibt auch Pornos abseits veralteter Rollenbilder und Klischees. Und nein, es geht hier nicht um “Frauenpornos,” in denen gekuschelt, geleckt und dann in Löffelchenstellung Liebe gemacht wird. Ich rede über feministische Pornos.
Feministische Pornos - So geil und divers kann verantwortungsvolle und einvernehmliche Sexualität sein
Wider der allgemeinen Konnotation geht es bei feministischen Pornos nicht um stundenlange Kennenlern-Dialoge, Blümchen-Sex oder sogenannte “frauenfreundliche Pornos.” Auch geht es nicht darum Machtspiele umzudrehen oder diese allesamt zu verbannen. You do you and I’ll do me.
Es geht ganz einfach um mehr Diversität, angemessene Bezahlung für Darsteller*innen und Einvernehmlichkeit.
Diversität
Geil sind Pornos, die nicht nur eine Form von Sexualität gelten lassen. Pornos mit diversen Körpern z.B. Männer ohne Sixpack, Frauen mit Dehnungsstreifen und überhaupt Menschen, die sich nicht in binäre Korsette und Rollen zwängen lassen. Pornos, in denen Sex nicht mit Penetration gleich gesetzt wird. Sex, der nicht dem oben beschrieben Drehbuch folgt.
Faire Bezahlung und freundlicher Umgang mit Mitwirkenden
Die Journalistin und Autorin Hanna Herbst schreibt in ihrem Buch Feministin sagt man nicht "Gratis ist nicht einmal das Wasser am Pornoset.” Sie hat völlig recht, wenn sie sagt, dass wenn man nicht selbst für Pornos bezahlt, es jemand anderes tut. Bzw. eher dass jemand nicht fair bezahlt wurde. Das sind meist die Darstellerinnen*, die das schwächste Glied in der Produktionskette sind.
Einvernehmlichkeit
Feministische Pornos sind Pornos, bei denen Menschen nicht ausgebeutet werden oder gezwungen werden Dinge zu tun, die sie nicht möchten. Es geht darum, strukturelle Gewalt nicht zu reproduzieren. Darum, dass Machtspiele Konsens voraussetzen. Pornos, in denen auch Kondome und Lecktücher verwendet werden.
Probiert es aus! Schaut euch was von Filmemacherinnen, wie zum Beispiel Erika Lust oder Vex Ashley an. Kritisch zu sein heißt nicht, Pornos zu verdammen, sondern darauf zu achten, was der Konsum mit uns macht. Zieht euch bitte auch während der Corona-Krise nicht nur gratis Material rein. Faire und feministische Produktionen zu unterstützen ist nicht nur geil, sondern kann dazu beitragen Klischees abzubauen und diverse, verantwortungsvolle und einvernehmliche Sexualität durch neue Bilder und Sehgewohnheiten in unseren Hirnen zu verankern.
Davon hätten wir dann auch nach der Krise noch was.