Männer machen sich gerne wichtig – vor allem, wenn sie Gutes tun. Sinnvoller wäre es allerdings, sich einfach mal zurückzulehnen und Betroffenen das Ruder zu überlassen.
Ich bin ein Mann und bezeichne mich als Feminist. Mit welchen Problematiken das einhergeht, sollte mittlerweile allgemein bekannt sein. Schließlich geht es im feministischen Kampf um die längst überfällige, intersektionale Gleichstellung von Männern* und Frauen* in Gesellschaft, Gesetz und Struktur. Herren der Schöpfung, die dabei die Bühne entern, um sich bejubeln zu lassen, was für geile Feministen sie nicht sind, verrücken dabei den Fokus und behindern den Prozess.
Was tun als Mann?
Soweit, so gut. Aber was soll ich als Mann denn machen, wenn ich mit der aktuellen Situation nicht zufrieden bin und mir eine dringende Veränderung herbeisehne? Legitimer Wunsch, der sich vielleicht ab sofort leichter erfüllen lässt, als Männer bisher annahmen. Du musst – vor allem als heterosexueller Cis-Mann – einfach nichts machen. Zugegeben: Diese Formulierung ist etwas flapsig gewählt – absichtlich. Trotzdem ist sie so treffend wie ungenau. Denn so einfach ist es oft gar nicht, sich hintanzustellen, aber trotzdem bleibt es im Endeffekt die einzige Handlung, die Frauen* in die Positionen bringt, die sie längst bekleiden sollten.
Wenn der Egoismus über der Sache steht.
Als Mann Gutes zu tun ist natürlich leiwand - und es sollte viel öfters passieren. Leider nimmt oft die Selbstprofilierung überhand und es geht gar nicht mehr um die Sache, sondern um den Applaus, den man dafür erntet. Erst kürzlich erklärte die Journalistin Alexandra Stanic in
einem Text für VICE, wieso eben auch linke, sich selbst als progressiv-feministisch bezeichnende Männer häufig Sexisten sind.
Und auch Georg Renöckl titelte im Standard treffend “
Lasst die Frauen machen!”. In dem Piece geht es um die Klimakrise, inwiefern Frauen* davon stärker betroffen sind und dass es kein Zufall ist, dass gesellschafts- und umweltpolitische Initiativen meist von Frauen* angeführt werden. Meine Rede, liebe Genossen, gebt das Ruder aus der Hand und findet euch damit ab, dass es kein feministisches Ziel sein kann, den Status Quo ständig mit neuer Fassade zu reproduzieren.
How to: zweite Reihe.
Damit der Text nicht nur abstraktes Geschwurbel bleibt, illustriere ich ihn mit einem Beispiel. Als
Techno-DJ bewege ich mich in einer eindeutig männlich dominierten Szene. Muskelprotze schwitzen oben ohne auf der Tanzfläche zur Musik die von Männern mit schwarzen Hosen und schwarzen Shirts gespielt wird. Ziemliches Klischee, das allerdings das Wahrheitskorn nicht vermissen lässt.
Glücklicherweise darf ich mich Teil des Kollektivs “
hausgemacht” nennen, das in den letzten Jahren einige Maßnahmen gegen oben beschriebene Situation ergriffen hat. Beispielsweise durch ein DJ-Casting (Nein, es heißt nicht "DJane – mehr dazu
hier), das ausschließlich für Frauen* ausgeschrieben wurde. Umgekehrte Sexismus-Vorwürfe inklusive. Oder mit der Organisation eines Events, das ausschließlich von Frauen* kuratiert, organisiert, dekoriert, bespielt und umgesetzt wird und bei dem Frauen* an der Tür den Prozentbetrag des Gender Pay Gap weniger Eintritt zahlt. Sämtliche Gewinne wurden bei der ersten Ausgabe der Party an die Frauen*häuser Wiens gespendet. Umgekehrte Sexismus-Vorwürfe inklusive.
Letztere Party steigt Anfang Dezember nochmal (
klicke!) und schon wieder habe ich genau nichts gemacht - und es ist das Beste. Dass die Party den männlich organisierten Events in Kreativität und Feuer um Welten voraus sind, muss ich nicht extra erwähnen. Oder wann haben Dudes zum letzten Mal den gesamten Reingewinn an gemeinnützige Organisationen gespendet?
Die obligatorische Entschärfung zum Schluss.
Natürlich will ich mich hier jetzt nicht als die moralische Speerspitze inszenieren.
Auch wenn sich dieser Text so lesen mag, als hätte ich männlichen Feminismus durchgespielt, habe ich dennoch Sexismen verinnerlicht. Das lässt sich durch die Sozialisierung in unserer Gesellschaft auch kaum vermeiden und ist an sich nichts, wofür man sich sofort eingraben muss.
Immerhin sucht man sich das nur bedingt aus. Dieser Aufruf zum Kürzertreten ist gleichermaßen auch ein Reminder an mich selbst. Reflektiert euch und eure Privilegien und versucht mal zu fühlen, was es mit euch macht, wenn ihr bewusst ein paar Schritte in den Hintergrund steigt.
Nehmt Platz in der zweiten Reihe, genießt die Pause, schaut zu, wie Frauen* ihren Scheiß alleine regeln und helft, wenn ihr danach gefragt werdet.
Viva la Vulva Gastautor
Sandro Nicolussi
Sandro (
@vorarlwiener) ist 25 Jahre alt und lebt als Student und freischaffender Journalist und Autor in Wien. Wenn er sich nicht gerade mit autofahrenden Menschen im Straßenverkehr streitet, fotografiert er umgefallene E-Scooter und schreibt Kurzgedichte. Als DJ des Kollektivs “
hausgemacht” räumt er gerne die Bühne für seine Kolleg*innen.