Meine Vulva –  Ein Geschenk an mich selbst

Meine Vulva – Ein Geschenk an mich selbst

Mir gefiel das nicht, dass ich über meine Vulva relativ wenig wusste. Bei sämtlichen Behörden, Anmeldungen, etc. gab ich an, eine Frau zu sein, dabei wusste ich gar nicht genau, was mich biologisch zur Frau machte.  

Dieser Blog beschreibt, wie ich mich dem größten Schatz meiner Weiblichkeit Schritt für Schritt näherte.

 

Meine persönliche Vulva-Geschichte Ich kann mich kaum erinnern, dass ich mich als Kind und Jugendliche je mit meiner Vulva beschäftigt hätte. Mir ist nicht präsent, ab wann mir Haare zwischen den Beinen wuchsen, in welchem Alter ich meine erste Regelblutung bekam und wann ich mich zum ersten Mal selbst berührte. Ich habe kein schlechtes Gedächtnis, aber mir fehlt meine persönliche Geschichte zu meinem Sexualbewusstsein.

Im Gegensatz zu meiner Großmutter und meiner Mutter wurde ich in eine Welt geboren, in der ich theoretisch die gleichen Möglichkeiten der Entfaltung erhielt wie Männer. Dennoch … Obwohl ich ein 90s Girl war, erlebte ich meine Emanzipation als hinterwäldlerisch. Ich glaube nicht, dass das von irgendwoher kommt. Ich denke, es hat damit zu tun, dass ich über meine Vulva nicht zu sprechen hatte.

Meine Freunde (Männer) erzählten mir, dass sie früher in der Garderobe vor oder nach dem Turnen manchmal ihre Penisse verglichen. Für Burschen war das ganz normal. Man wusste genau, wer in der Klasse, das größte und wer das kleinste Glied hatte. Sie gingen schamlos offen, teils bewertend, teils verletzend miteinander um. Ob das gut oder schlecht ist, gilt zu diskutieren. Aber zumindest suchten sie im Gegensatz zu uns Mädels die Auseinandersetzung mit ihrem Geschlechtsorgan.

 

Ich habe nie mit meinen Freundinnen und Klassenkolleginnen unsere Vulven verglichen. Das wäre mir auch gar nicht in den Sinn gekommen. „So etwas machen Mädels nicht.“, hatte ich da nur im Kopf.

 

Bei uns wusste man zwar, wer in der Klasse schon die Periode hatte und wer nicht, mir wäre es aber furchtbar peinlich gewesen, zu wissen, wie die Vulva meiner besten Freundin aussieht. Ich wollte ja nicht einmal wissen, wie meine eigene aussieht. Nicht umsonst heißt das da unten Schambereich.

 

Meine Vulva und ich heute Im Alter von 27 Jahren hatte ich meinen ersten Scheidenpilz. Und aus diesem Anlass heraus begann ich mich wieder mehr mit meiner Vulva zu beschäftigen. Ich war mein Leben lang immer schon von Blasenentzündungen und heftigen Regelschmerzen verschont geblieben. Es gab keinen Grund, mich abseits von Sex und der monatlichen Erdbeerwoche mit meiner Vulva zu beschäftigen. Es stimmte mich missmutig, dass ich mich oft nur mit meinem Da-Unten beschäftigte, wenn etwas nicht funktionierte oder erledigt werden musste. Wir begegneten uns wenn ich meine Menstruationstasse hineinschob oder wenn ich berührt wurde oder ich mich selbst berührte. Mittlerweile war mir meine Vulva glücklicherweise nicht mehr peinlich. Ich hatte auch großen Gefallen daran, sie gelegentlich über die Wolken hinausheben zu lassen.

 

Mich motivierte der Gedanke, dass mich eine Beschäftigung mit meiner Vulva als Frau voranbringen könnte. Es ging mir um Bewusstseinsschaffung, Selbstliebe und -akzeptanz meines Körpers. Doch in welchem Kontext sollte ich mich mit mir und mit ihr beschäftigten?

 

Wie durch Zufall fragte mich eine meiner ältesten Freundinnen, ob ich nicht Interesse hätte, an einem Vulva-Workshop mitzumachen, bei dem wir einen Abdruck unserer Vulva machen würden. Und die Frage kam wie gerufen.

Meine Mutter rümpfte die Nase, als sie hörte, was ich für das Wochenende geplant hatte. Sie sagte nur, da müsste ich mich dann aber sehr genau und gründlich rasieren. Und was das vermutlich für eine Sauerei mit der Gipsmasse seien würde. Sie hatte nie bei so einem Workshop mitgemacht. Und dennoch tat sie so, als wüsste sie ganz genau, wie das abliefe. Sie vermittelte mir kein ermutigendes Gefühl, was den Workshop betraf. Auch andere Frauen in meinem Bekanntenkreis reagierten irritiert. Manche wiederum fanden es sehr mutig und toll, dass ich das machte.

Auf nach Vulvanien! Meine Erfahrung beim Vulva-Workshop

Ein wenig Bammel hatte ich schon, als ich beim Vulva-Workshop zusagte. Wie würde das wohl werden, fragte ich mich. Ich genierte mich gar nicht mehr für meinen Körper. Ich war sogar sehr gerne nackt. Aber ich hatte dennoch ein gewisses Bild über so eine Veranstaltung im Kopf: Eine Gruppe junger Frauen würde im Kreis am Boden mit ihren Spiegeln zwischen den Beinen sitzen. Alle müssten einander etwas über ihre Vulva erzählen. Nacheinander würde eine Frau nach der nächsten zum Abdruck abgeholt werden. Man müsste ins stille Kämmerlein mitkommen, sich wie beim Frauenarzt unten herum frei machen und die Gipskünstlerin würde dann an einem mit den Materialen herumhantieren. Ich hatte auch die Vorstellung, dass die Masse wie das Gleitgel beim Frauenarzt eiskalt sein und womöglich brennen würde. Etwas Bedenken hatte ich außerdem, ob sich die Masse gut entfernen ließe.

Es verlief ganz anders: Wir waren sechs Teilnehmerinnen. Dann war da noch Sofia, die Organisatorin und Gloria, die Künstlerin. Der Workshop fand im Wohnzimmer bei Sofia zu Hause statt. Gloria erklärte uns ganz kurz, sachlich und ruhig, wie der Abdruck funktionierte, wie das nun abliefe und, was wir zu beachten hatten. Nacheinander entkleideten wir uns unten herum, nahmen auf dem Sofa auf einem Handtuch Platz, auf dem eine Plastikfolie lag. Die Beine sollten wir an den Körper heranziehen und öffnen, ähnlich wie in einer Schneidersitzposition. Gloria rührte für jeden einzeln mit warmen Wasser eine hellbraunfarbene Masse (Alginat) in einem kleinen Topf an, die aus Algen bestand. Die Masse wird auch bei Gebissabdrücken verwendet. Wir verteilten sie selbst auf unserer Vagina. Sie trocknete schnell, innerhalb von zwei bis drei Minuten. Dann konnte sie ganz leicht, komplett schmerzfrei, vorsichtig abgelöst werden.

 

Es war ein besonderes Gefühl für mich, das Negativ meiner Vulva in meinen Händen zu halten. Ich witzelte herum, dass es sich anfühlte, als hätte ich mich selbst auf die Welt gebracht.

 

Gloria begleitete uns hoch professionell, mit einer angenehm behutsamen Art Schritt für Schritt beim Prozess. Wir anderen saßen teilweise dabei, manche nahmen auch am Tisch in der Küche Platz. Wir plauderten über dies und das, als wäre es einfach nur ein gemütliches Beisammensein mit Freundinnen. Teilweise sprachen wir über Frauenthemen, dann wieder über Alltägliches. Sehr  unkompliziert und zwanglos.

Der Negativ-Abdruck wurde später für einen Gipsabguss weiterverwendet. Und innerhalb von einer Stunde hatten wir schon unsere Vulven in unseren Händen. Für mich ein unbeschreiblich wohlwollendes Gefühl. Ich war stolz auf mich und freute mich über mein Geschenk an mich

 

Viva La Vulva Gastautorin

Katharina Ingrid Godler

Foto: Ruth Höpler   Katharina Ingrid Godler (28) arbeitete bisher als Literaturwissenschaftlerin in Projekten über Ilse Aichinger, Thomas Bernhard, Karl Kraus und Robert Musil. Seit einem halben Jahr ist sie Schriftstellerin und setzt sich in ihren Texten mit den Themen Mutterschaft, Depression und Emanzipation auseinander. Sie schreibt u. a. einen literarischen Blog auf DerStandard.at über Die Frau ohne Eigenschaften.
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