Feministische Bücherlieblinge. Sorgsam von unserem Team ausgewählt. Bücher, die zum Nachdenken anregen, motivieren und unterhalten.
Sofia: "Women don’t owe you pretty" von Florence Given
Die Bezeichnung "Instagram-Influencerin” ist geladen mit Vorurteilen und Stereotypen. Nichtsdestotrotz, wurde eines der besten Bücher, das ich 2020 gelesen habe, von einer 21-jährigen, massiv erfolgreichen Instagram-Influencerin geschrieben. Tatsächlich habe ich sogar über ihren Instagram-Account von dem Buch erfahren und es gekauft - geinfluenced also.
Als das Buch endlich bei mir ankam, habe ich es in nur wenigen Tagen regelrecht verschlungen. “Women Don’t Owe You Pretty” ist einfach geschrieben und prächtig illustriert. Das Buch hält, was der Titel verspricht. Florence Given zeigt, warum wir Männern und der Gesellschaft nichts schulden. Mantras wie “You are enough.”, “Life is too short, dump them.” und “Protect your energy.” führen die Leser*in durch das 222-seitige Buch. Ob patriarchale Narrative, Unsicherheiten, toxische Menschen, Consent, Heteronormativität, Sexualität oder Male Gaze: Die Autorin schafft es mit ihrem Buch viele feministische Themen elegant und eloquent abzudecken. Natürlich geht bei einem so breiten Spektrum an Themen einiges an Tiefe verloren, was einen validen Kritikpunkt darstellt. Doch gerade durch den Facettenreichtum ist es ein tolles Buch für junge Menschen, die gerade beginnen, sich mit Feminismus auseinanderzusetzen. Aktuell ist das Buch leider nur auf Englisch erhältlich, aber ich hoffe sehr, dass es bald auf Deutsch übersetzt wird, damit es möglichst viele junge Menschen erreicht.
Marie: "Feminist Fight Club" von Jessica Bennett
Das Buch oder eigentlich den Ratgeber habe ich vor ein paar Jahren das erste Mal gelesen. Vor Kurzem habe ich einen neuen Job angefangen – eine gute Gelegenheit, um das eine oder andere Kapitel im "survival manual for a sexist workplace" noch mal nachzulesen. Auf 292 Seiten findet man eine Hülle an Informationen, hilfreichen Tipps, lustige Doodles und Bewältigungsstrategien für konkrete Situationen. Das Ganze beschreibt Bennett mit sehr viel Witz und Charme. Es gibt Tipps zu "Wie präsentiere ich in Meetings meine Ideen, ohne unterbrochen zu werden" und natürlich darf auch der Allzeit-Klassiker Gehaltsverhandlung nicht fehlen. Jessica Bennett garniert die Ratschläge mit Episoden aus ihrem eigenen Berufsleben und jenen ihrer Freundinnen. Oft habe ich mir beim Lesen gedacht "Das habe ich auch schon mal erlebt" und es ist gut zu wissen, dass es auch anderen Frauen* so geht und, dass wir viele Mitstreiterinnen* haben! Das Buch ist toll illustriert, man findet einige Comics und Grafiken darin, was das Lesen sehr abwechslungsreich macht. Ich würde das Buch meiner Schwester, meiner besten Freundin, meiner Kollegin und allen Frauen*, die ich kenne, schenken, denn Regel Nummer 2 des Feminist Fight Clubs ist "You must talk about the Feminist Fight Club"!
Katrin: „Americanah“ von Chimamanda Ngozi Adichie
Bevor ich die Bücher von Adichie verschlungen habe, habe ich mich nie mit Nigeria beschäftigt. Weder mit der Geschichte, der Politik, der Gesellschaft oder der Natur in diesem Land. Adichies fesselnde und detailreiche Erzählungen haben mir dann eine neue Welt eröffnet: In "Americanah" lernt man nicht nur die nigerianische Kultur sowie das Leben unter einer Militärdiktatur näher kennen, sondern erfährt auch, was es bedeutet, als schwarze Frau in die USA auszuwandern. Die lebhaften Beschreibungen der nigerianischen Autorin machen den systematischen Rassismus in den USA unangenehm greifbar und regen die Leser*innen dazu an, sich mit ihren eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen. Wer sich mehr mit intersektionalem Feminismus beschäftigen möchte, findet in diesem Buch genug Stoff für Diskussionen. Und obwohl Adichies Geschichte teils schwer verdauliche Themen anspricht, lässt sich in den Schicksalen der Charaktere und ihren Beziehungen zueinander eine angenehme Wärme und Vertrautheit finden. Adichie schafft es, sowohl die Beantragung eines Visums als auch erotische Szenen authentisch und spannend rüberzubringen. Absolute Leseempfehlung für gemütliche Tage auf der Couch (und sonst auch)!
Ana: „Wie wir lieben. Das Ende der Monogamie“ von Friedemann Karig
Dieses Buch ist kein Plädoyer für Polyamorie. Es geht auch nicht um die desaströse Statistik. („Fast jede zweite Ehe in Deutschland wird geschieden, Tendenz steigend.“) Das ist ein Buch über die Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Über Stereotype, Normen und pure Lust. Während ich geglaubt habe, mich in den Thematiken der Sexualität und Liebe bereits gut auszukennen, hat mir dieses Buch die Augen geöffnet für unzählige zutiefst wissenschaftliche neue Ansätze. Ich kann sie nun mehr denn je als soziale Phänomene begreifen.
Das Buch deckt die komplette Komplexität an Problemen ab von Eifersucht und Neugier, zu Hoffnung und den Selbstzweifeln. Umfassend recherchiert, geht der Autor aber auch auf die Evolution, Biologie, Neurophysiologie und den psychologischen Aspekt von Machtstrukturen ein. Denn all das steckt hinter der Erfindung der Monogamie. Am fesselndsten in diesem Buch sind die abgedruckten Interviews, die der Autor mit Menschen geführt hat, die eben nicht ganz normkonform leben. Zutiefst beeindruckt hat mich dabei deren Auffassung von Vertrauen. Ich kann versprechen, dieses Buch wird Deinen Horizont erweitern, auf Ebenen, die man allein vom Titel her nicht erwarten würde.
Lena: “Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez
Für mich als Zahlenliebhaberin ein Buch ganz nach meinem Geschmack! Criado-Perez zeigt hier mit unendlich vielen Zahlen, Daten und Fakten schonungslos auf, auf welche Weise das Patriarchat funktioniert und wie es für Frauen* sogar tödlich sein kann. Manchmal passiert das bewusst, manchmal auch unbewusst, weil eben gender separierte Daten fehlen. Wien wird übrigens im Buch öfters wegen der gendersensitiven Planung der Stadt als gutes Beispiel hervorgehoben. Das Buch beleuchtet ganz viele Bereiche des Lebens wie Gesundheit, Sicherheit, Technik, Finanzen und vieles mehr.
Auch wenn ich Zahlen liebe, hat mich die Fülle an Zahlen dann doch überrascht. Toll ist, dass hier auch viele internationale Zahlen beinhaltet sind und so die Sichtweise nicht nur Europa oder Amerika zentriert ist. Fazit: Nicht einfach zu lesen, aber es zahlt sich aus!
Yasmin: "We should all be feminists" von Chimamanda Ngozi Adichie
Nachdem mir meine gute Freundin Marina dieses Büchlein mit dem Statement: "Hier, du musst das auch unbedingt lesen!" in die Hand gedrückt hatte, mit dem Ziel, es systematisch mit ihrem ganzen Bekannt*innenkreis zu teilen, begann meine Faszination mit der Autorin. Die gebürtige Nigerianerin überzeugte mich mit ihrer detailreichen Schilderung über emotionale Lebensgeschichten aus ihrem Bekannt*innenkreis. Alle Geschichten haben einen gemeinsamen Nenner: Pure Ungerechtigkeit. Kritisch hinterfragte sie gesellschaftlich etablierte, unfaire Strukturen, die oft totgeschwiegen verbleiben, weil der Diskurs darüber einfach viel zu unangenehm wäre. Chimamanda lässt sich von diesem Gefühl aber nicht leiten und verspürte schon in ihrer Kindheit Frustration, als selbst in der Schule weniger auf Leistung und mehr auf ihr Geschlecht geachtet wird. Wie soll es dann in der Arbeitswelt anders sein? Man erfährt auch, warum sie anfangs mit dem Begriff „Feminismus“ nicht viel anfangen konnte, ihn aber heute mit aller Kraft verteidigt. Ich für meinen Teil werde das Buch an eine glückliche Leserin* in meiner Bubble weitergeben und Marinas Kettenreaktion somit fortzusetzen.
Sophie: “Ich bin Circe” von Madeline Miller
Mein Herz schlägt schon lange für die faszinierende Sagenwelt des antiken Griechenlands – Liebe, Hass, Schmerz und Macht sind einfach der ideale Cocktail für packende Geschichten. Natürlich glänzen die Mythen nicht gerade mit ihrer frauen*freundlichen Storyline, und ich bin schon oft (auch in Neuerzählungen) über nonchalante Beschreibungen von Vergewaltigungen und nebenbei abgehandelten Femiziden gestolpert. Eine feministische Aufbereitung der Sagen habe ich (bis jetzt) vergeblich gesucht. „Ich bin Circe“ haucht dem Mythos der berüchtigten Hexe Circe auf unkonventionelle Art neues Leben ein. Circe wird von ihrem Vater auf eine einsame Insel verbannt und hadert mit der Welt, die sie nicht versteht und in der sie ohne schönes Gesicht und ohne göttliche Macht keinen Platz hat. Circes Geschichte ist nicht nur ungeheuer spannend und voller berühmter Held*innen, Gottheiten und interessanten geschichtlichen Details, sie illustriert auch scharfsinnig die patriarchale Gesellschaft, in der Circe lebt und von der sie sich freikämpfen möchte.
Meine Mama hat mir das Buch letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt und es hat sich einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal erobert – wer also ein Sachbuchmuffel ist und genug von sexistischem Bullshit in Romanen hat, dem kann ich diese Story wirklich ans Herz legen.