Ich habe mich lange Zeit nicht besonders mit meiner Vulva auseinandergesetzt. Sie war irgendwie einfach da. Ein unendliches, mysteriöses schwarzes Loch in Mitten meines Körpers. Ich glaube, mein erster Freund wusste mehr über meine Vulva als ich. Mit Freundinnen wurde eigentlich auch nie darüber geredet. Sicher hat man sich über Jungs, Sex und sogar Penisse ausgetauscht, aber Themen wie Vulven und Masturbation waren bei uns immer Tabu. Es hat fast 21 Jahre gedauert bis ich angefangen habe eine echte Beziehung zu meiner Vulva aufzubauen und heute weiß ich, dass ich mit dieser Erfahrung nicht alleine bin: Laut einer australischen
Studie wissen 50% der Frauen, nicht wie eine „normale“ Vulva aussieht und weniger als die Hälfte der Frauen hat je mit Freunden und Freundinnen über ihre Vulva gesprochen.
Welcome to Penisland
Mit Penissen kennen wir uns aus. Von Zeichnungen auf Schulbänken über Graffitis bis zum militärischen Fachjargon über Deep Penetration und Vertical Errector Launchers, der Penis hat einen omnipräsenten Platz im gesellschaftlichen Diskurs. Und das liegt
*surprise* *surprise* nicht daran, dass Penisse anatomisch einfacher aufgebaut wären. Im Gegenteil, wer heute noch denkt die Klitoris wäre ein korn-großes Pünktchen in der oberen Mitte der Vulva darf sich gerne das folgende Bild genauer einprägen:
Source:
https://www.pinterest.at
Wie kann es sein, dass die erste anatomisch korrekte Nachbildung einer Klitoris erst entstanden ist, nachdem wir auf dem Mond gelandet sind?
Wie kann es sein, dass die erste anatomisch korrekte Nachbildung einer Klitoris erst entstanden ist, nachdem wir ein Schaf geklont haben?
Wie kann es sein, dass die erste anatomisch korrekte Nachbildung einer Klitoris erst entstanden ist, nachdem das iphone 5 entwickelt wurde?
Die Problematik als Frau mehr über die eigene Sexualität zu sprechen, beginnt schon damit, dass wir nicht mal wissen wie wir uns da unten nennen sollen. Muschi? Mumu? Möse? Es ist bezeichnend, dass „Fotze“ eines der schlimmsten Schimpfwörter (nicht nur) im deutschen Sprachraum ist und dass die wohl am öftesten benutze Bezeichnung „Vagina“ sich nur auf das Loch bezieht, in das der Mann sein „bestes Stück“ stecken kann. Das weibliche Geschlecht als Ausdruck des Nichts und Produkt einer Sexualpraktik, die die Lust des Mannes in den Mittelpunkt stellt. Aber seien wir mal ehrlich, wie viele Frauen bekommen regelmäßig rein vaginale Orgasmen?
Source:
https://www.duden.de
Also sagen wir Vulva, wenn wir Vulva meinen. Denn es geht um mehr als das Organ: Es geht um Selbstbestimmung, weibliche Sexualität, Freiheit und Feminismus. Because it’s 2018 und damit höchste Zeit, mit der Verwirrung, den Mythen und der Scham rund um weibliche Geschlechtsorgan zu brechen. Viva La Vula! Das meine ich wörtlich. Lasst eure Vulven hochleben und feiert sie in allen Farben und Formen: große und kleine, symmetrische und asymmetrische, mit prominenter und versteckter Kiloris, mit Behaarung oder frisch gewaxt.
Dieser Blog ist alle, die es satt haben in Penisland zu leben. Für alle, die sich auf den Schulbänken neben den ganzen Peniszeichnungen mehr Vulven wünschen. Für die, die laut und ohne Scham sagen wollen:
I LOVE MY VULVA
Feminismus zwischen deinen Beinen
Und wenn du dir jetzt denkst „Hä? Sollte dieser Blog nicht eigentlich über Feminismus sein?“ –
You’re damn right! Seine eigene Vulva zu lieben ist ein zutiefst feministischer Akt. Ein zutiefst in feministischer Akt in einer Gesellschaft, in der der weiblicher Sexualtrieb, weibliche Masturbation und Menstruation immer noch Tabuthemen sind. Es ist ein rebellischer Akt, in einem System mit Double Standards, in dem Frauen die mit mehr als 20 Männern geschlafen haben dreckige Bitches sind und Männer für selbiges gefeiert werden. In einer Gesellschaft, in der dir eingeredet wird, dass es ‚natürlich’ ist, dass Männer einen stärkeren Sexualtrieb haben als Frauen, ist es feministisch für eine Gesellschaftskultur zu kämpfen, in der weibliche Sexualität natürlich, enttabuisiert und wundervoll ist.
Dazu braucht es Feminismus. Ich rede über eine Art von Feminismus, die bei jeder und jedem Einzelnen von uns beginnt. Täglich und auch privat – sozusagen Everyday Feminism. Eine Rückbesinnung darauf, dass das Private für junge Frauen heute noch genauso politisch ist wie in den 70er Jahren. Und dass, jede Einzelne von uns, durch alltägliche Handlungen, wie zum Beispiel sich den Double Standards zu unterwerfen und zu lügen, wenn man nach der Anzahl der Sexualpartner gefragt wird, Mitträgerin eines ungerechten Systems ist. Zu akzeptieren, dass unsere privatesten Entscheidungen politisch sind, ist ungemütlich und persönlich. Vielleicht ist es sogar ein bisschen unverschämt. Aber unverschämt zu sein ist, wichtig im Feminismus.
Lasst uns unverschämt sein: Unverschämt frei, unverschämt selbstbestimmt und unverschämt lustvoll.
Die feministische Revolution beginnt mit deiner Vulva.