Geboren als Marianna Katharina Pick (1895-1942), war sie im laufe ihres Lebens Referentin, Funktionärin, Ökonomin, aber vor allem Revolutionärin. Käthe Leichter war eine der ersten und prägendsten Frauen für die feministische Ökonomie in Österreich.
Mit ihren Ansichten war sie Zeit ihres Lebens eine Pionierin. Als Frau in jenen Jahren hatte sie es doch von Anfang an schwer den Karrierepfad zu wählen und dennoch erkämpfte sie sich ihr Recht auf einen Studienplatz durch Klage, damals am Reichsgericht, und so zählt sie bis heute als erste Frau, die den Doktortitel in Staatswissenschaften erworben hat. Dies allerdings in Heidelberg, Deutschland, da ihr der Abschluss in Wien verwehrt blieb. Es war niemand geringerer als Max Weber, welcher ihr in der schwierigen Phase das Krieges 1917 half das ihr - wegen ihrer pazifistischen Einstellung - auferlegte Einreiseverbot nach Deutschland aufzuheben, um ihr Doktorstudium zu beenden. Durch ihren sich selbst auferlegten Lebensweg geprägt und durch ihr Umfeld stark politisiert, engagierte sie sich schon während ihrer Studienjahre in linken Studentengruppen und trat später sogar der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) bei. (Wien Geschichte Wiki, 2019)
Der harte Weg machte sich schnell bezahlt, als Käthe Leichter einen namhaften Posten nach dem anderen bezog, unter anderem als „enge Mitarbeiterin Otto Bauers im Außenministerium“ und als „Konsulentin von Finanzminister Joseph A. Schumpeter“. (ebd.) Leichter engagierte sich gleichzeitig im Bereich der Bildungs- und Frauenpolitik, wo sie auch Bezirksreferentin war und schließlich immer als Delegierte zum Parteitag oder anderen (Frauen-)Konferenzen entsandt wurde. So hatte sie schlussendlich alle Voraussetzungen das Frauenreferat der Arbeiterkammer ab 1932 von Grund auf neu aufzubauen. (Wien Geschichte Wiki, 2019)
Erschreckend und unglaublich wertvoll zugleich ist angesichts der COVID-19 bedingten Wirtschaftskrise, ihre feministische Krisenanalyse und die Rolle der Frau in der Nachkriegszeit und den darauffolgenden Jahren der Rationalisierung. Höchst aktuell lassen sich durchaus Vergleiche ziehen und trauriger Weise sogar einzelne Parallelen erkennen zur jetzigen Situation der Frau in Österreich.
„Für die Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel!“
Leichter, 1932
In einer Untersuchung erhob Käthe Leichter anhand von Fragebögen nicht nur die Erwerbstätigkeit der Frauen in überwiegend Fabriken, sondern auch Informationen über Haus- und Reproduktionsarbeit und Freizeit zur Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise 1931/32. Derartige sozio-ökonomische Studien wurden bis dahin nie zuvor durchgeführt und werden auch heute, gerade in Krisenzeiten, stark vermisst, wie der Artikel von Helen Lewis aus dem März 2020 über „Das weibliche Desaster“ zusammenfasst.
Leichter schreibt damals in ihrer Erhebung nicht nur von statischen Zahlen und Prozentsätzen, sondern auch anhand der zahlreichen Stellungnahmen der Frauen in den Fragebögen, dass die Frau vor dem Krieg nur zusätzliche Verdienerin gewesen sein mag, durch den Krieg und den Frauenüberschuss der Nachkriegszeit aber immer öfter zur Selbsterhalterin, gar zur Familienerhalterin, geworden ist. (Leichter, 1932)
Es kristallisiert sich quer durch die Antwortbögen heraus, dass die Erwerbsarbeit damals zu einer hohen psychischen und physischen Belastung für die Frauen führte, das sie aufgrund der Notlage, die Last der Verantwortung für den meist schon verschuldeten Haushalt trugen. Wohlgemerkt zusätzlich zur Kindererziehung und Hausarbeit, wo sie wenn überhaupt lediglich Unterstützung der (Schwieger-)mutter oder den Kindern bekamen. Darüberhinaus und aufgrund dem zurückgegangen Kinderwunsch, ja der Furcht ein weiteres Maul stopfen zu müssen, ergab sich aus Leichters Untersuchung die Forderung nach dem straffreien Schwangerschaftsabbruch. (Knittler, 2013) Ihre Erhebung wurde wahrlich zu einem zeithistorischen Dokument und war anno dazumal politisches Unikat. Darüberhinaus ist ihre Vorarbeit für feministisch Perspektiven in der Ökonomie, konkret in Österreich, unumstrittlich.
Nach dem Februar 1934 zählten Leichter und ihr Mann zu den Gründern der Revolutionären Sozialisten. Käthe Leichter leitete in der illegalen Organisation zuerst das politische Bildungswesen, dann den Nachrichtendienst. Trotz zahlreicher ausländischer Interventionsversuche deportierte man Käthe Leichter im Jänner 1940 ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Im März 1942 wurde sie im Zuge des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms in der Psychiatrischen Anstalt Bernburg/ Saale ermordet. Ihr Mann konnte flüchten und auch beide Söhne überlebten in der Schweiz. Erst 2013 bewirkte einer der beiden Söhne, dass die ihr in der NS-Zeit aberkannte Doktortwürde wieder zurückgegeben wurde.
Bibliographie:
Leichter, Käthe (1932) »So Leben Wir … . 1320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben«, Wien.
Knittler, Käthe (2013): Käthe Leichter und die Wirtschaftskrise. Kurswechsel, Nr. 4, S. 74-81.
Wien Geschichte Wiki (2019): Käthe Leichter.
Bildquellen:
Titelbild: ORF TVthek