Wurde ich vergewaltigt?

Wurde ich vergewaltigt?

Christian Berger hat in den vergangenen Tagen sein Instagram Profil genutzt, um Aufmerksamkeit für ein heikles Thema zu gewinnen, das wie so oft gern totgeschwiegen wird. In der Gesellschaft, in der wir leben, werden Täter nicht als Täter erkannt, denn es handelt sich heutzutage immer noch um eine Zwickmühle, gerade für Opfer: Nicht wissend, ob man denn nun überhaupt Opfer von etwas geworden ist, schweigt man. Man hat sich schließlich nicht gewehrt, also war es wohl einvernehmlich oder?

Dies betrifft sowohl Stealthing, als auch die Nötigung und das Überreden zum Sex. Viele Frauen, aber auch einige Männer haben ihre Geschichten mit Christian geteilt und dieser hat sie anonym veröffentlicht. Das hat mich innerlich so tief getroffen und mir den Mut gegeben auch von meiner Erfahrung zu berichten, die, wie mir scheint, sehr gut verdeutlicht auf welcher Ebene Übergriffigkeit bereits beginnt. Nämlich lange vor dem Sex. Nach der Vielzahl an ähnlichen Schilderungen über Stealthing, Nötigung und Gewalt, welche ich mir die letzten Tage in seinen Stories durchgelesen habe, fühle ich mich endlich zurecht in der Position zu klagen. Wenn auch nur hier und anonym.

Kurzgefasst bin ich naiv und betrunken mit einem Bekannten ins Taxi gestiegen. Ich kannte ihn von der Arbeit und gebe zu, dass ich seinen warmherzigen Sonnenschein-Charakter stets mochte. An jenem Abend hatten wir uns zufällig im Club getroffen und wir entschieden uns ein Taxi zu teilen, wo ich dementsprechend meine Adresse angab. Er meinte aber sogleich „Nein, nein, nur eine Adresse“ und nannte die Seine. Auf meinen fragenden Blick hin meinte er ich könne bei ihm übernachten. Wissend, dass er eine Freundin auf Auslandssemester hat, bin ich naiver Weise - und trotz mehrfacher Anmachsprüche und einem vermeintlichen Po-Grapscher im Club - von besten Intentionen ausgegangen (mich betrunken nicht Heim zulassen). Bei ihm angekommen, gab er mir einen Pyjama, legte sich selbst schon ins Bett und schien schon zu schlafen, als ich mich daneben legte. Ich murmelte noch „gute Nacht“, da rollte er sich auf mich und begann mir zu sagen, wie geil er mich nicht immer schon gefunden hätte und wie lange er nicht schon mit mir schlafen wolle. Er küsste mich, aber nur kurz.

Komplett überfordert von der Situation wehrte ich mich nicht.

 

Und plötzlich ging alles ziemlich schnell. Ich traute mich nicht nein sagen, aber was ja immer geht: „Ich hab grad die Regel“. Dies hielt ihn nicht davon ab mich auf den Bauch zu drehen, mir die Hose runterzuziehen, mir den Arsch zu versohlen und seinen Penis daran zu reiben. Es dauerte tatsächlich ein paar Schläge bis ich realisierte, dass meine Schreie kein Stöhnen mehr waren. Dass meine Schreie nicht der Lust entsprangen, sondern dem Schmerz. Ich war im Schock und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Ich musste dem Ganzen ein Ende bereiten und tatsächlich beinhalteten meine Überlegungen dennoch: „Wenn ich jetzt Nein sage, wird das in Zukunft unglaublich peinlich ihm in der Arbeit oder bei diversen Anlässen über den Weg zu laufen.“ Aber bevor ich noch einen Entschluss gefasst hatte, dreht er mich wieder um, setzte sich auf mich, sodass sein Penis an meiner Scheide war und schlug mir zweimal ins Gesicht. „Stop. Stop!“ Er hielt inne, rollte sich von mir runter auf den Rücken, zuckte nochmal mit den Achseln und war nach ein paar Minuten eingeschlafen. 

So lange hatte es also gebraucht, bis ich Worte des Wehrens über meine Lippen gebracht hatte. Er musste mir erst ins Gesicht schlagen bis mein Körper und Unterbewusstsein endlich den Reflex zeigten sich zu wehren. Man würde meinen es wäre Intuition, aber diese verlernt der Mensch für gewöhnlich durch Erziehung. Und das ist bis heute mein bester und persönlicher Beweis, wie tief der gesellschaftliche Zwang zu Gefallen in mir verankert wurde. Ja, wurde. Vielleicht nicht mit Absicht, aber selbst habe ich mir das bestimmt nicht beigebracht. Denn auch als ich schon erkannte, dass ich mich nicht wohl fühlte in der Situation, geschweige dessen bereits bei den ersten „red flags“ während des Abends, hatte ich nicht die Geistesgegenwärtigkeit zu erkennen was abgeht. Und im übrigen, ich glaube er auch nicht. Dieser Mann, gute 15 Jahre älter als ich, war mir in dieser Nacht nicht nur physisch Überlegen, sondern gewissermaßen auch in seiner (gesellschaftlichen) Stellung, welche ihm sein Leben lang gesagt hat, dass es normal ist wie er denkt, fühlt und handelt und er dies nicht hinterfragen muss. Ich hingegen habe sogar in dieser widerwärtigen Situation hinterfragt, was es für Konsequenzen für mich haben könnte, wenn ich Nein sagen würde.

Was das ganze zum Patriarchat macht? Es ist kein Einzelfall! Danke Christian, dass du das mit deiner Aktion bewiesen hast und danke an alle die ihre Erfahrungen veröffentlicht haben. Mich habt ihr erreicht und ich bin mir sicher viele andere auch!

PS.: Als er mich die Tage darauf um ein Treffen bat, um sich zu entschuldigen und ich einwilligte, lautete seine erste Frage: „Wir haben aber eh nicht miteinander geschlafen oder?“. Dann drehte sich der Rest des Gesprächs, um seine Schuldgefühle gegenüber seiner Freundin.

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