Sexlos – Warum wir immer weniger Sex haben

Sexlos – Warum wir immer weniger Sex haben

Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2016 hat herausgefunden, dass Millenials weniger Sex als ihre Eltern haben. Bei genauerer Betrachtung geht jedoch hervor, dass nicht nur die Generation der Millenials davon betroffen ist, sondern dass die Sexfrequenz generell weniger wird.

© Unsplash/Charles Deluvio 

Es wird offener über Sexualität gesprochen, der beste Sex scheint überall verfügbar zu sein und trotzdem sinkt die Lust darauf. Das erscheint doch paradox.

Warum wir sexloser in einer sexüberflutenden Gesellschaft sind, darüber kann nur gemutmaßt werden. Ich wage einen Versuch der Erklärung, warum wir weniger Lust auf Sexualität haben und wie wir uns die Lust wieder zurückholen können.

Erwartungen an die Sexualität

Haben wir weniger Lust auf Sexualität, weil wir einen zu hohen Erwartungsdruck an die Erotik stellen? Der Sex soll mindestens so gut sein, dass sich auch die Nachbar*innen eine Zigarette danach anzünden. Eine humorvolle Aussage - was bleibt, ist jedoch die Suggestion des perfekten Sexlebens. Auch zeigt uns die Pornografie, wie es „richtig“ geht. Wenn wir uns nicht bewusst machen, dass sie in die Kategorie "Science-Fiction" einzuordnen ist, kann dies die Erwartung an mich selbst und mein Gegenüber erhöhen. Auch ist Pornografie immer und überall schnell verfügbar. Die Masturbation mit Pornos ist bei Weitem einfacher als die sexuelle Verführung einer anderen Person. Auch Womanizer, Vibrator & CO versprechen eine Orgasmus-Garantie, wo es darum geht, möglichst schnell zum "Punkt" zu kommen. Dabei bleibt die Lust auf Sexualität und Verführung auf der Strecke.

Überall wird einem besserer Sex verkauft. Die Industrie möchte uns etwas verkaufen und wir kaufen diese Produkte im Glauben, dem fulminanten Sex näher gekommen zu sein.

Aber sind wir das wirklich? Oder entfernen wir uns durch all die sexuellen Produkte, die es am Markt gibt, von unserer wahrhaft authentischen Sexualität? 

Ist Sex komplizierter geworden? 

Viele von uns wollen mehr als die Standard-0815-Nummer. Dies bedeutet natürlich auch mehr Aufwand hinsichtlich der Zeit und der Emotionen. Viele wollen dies nicht leisten, wenn doch nur einen Mausklick entfernt, die Pornografie und die schnelle Masturbation ist.

Wir haben keine Lust auf die Standardnummer, aber auch keine Zeit und Energie, jedes Mal ein orgastisches Fest aus der Sexualität zu machen. Wie so oft wird auch hier der Mittelweg eine Alternative sein.

Im Reinen mit sich sein, wenn nicht jedes Mal Sexualität zu einem Feuerwerk wird und einfach mal nur „gut“ oder „schön“ war. Sich aber auch bewusst die Zeit nehmen, um seine Sexualität zu bereichern und Neues auszuprobieren. Damit ein „War das guuuut!“ auch im Gespräch danach gestöhnt werden kann. 

© Unsplash/Mahrael Boutros 

Qualität vor Quantität

Wir haben weniger Sex als noch vor einigen Jahren, dabei muss das nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Es gilt Qualität vor Quantität. Jedes Paar darf für sich bestimmen, wie oft sie Intimität leben wollen in der Partner*innenschaft. Vergleichen mit anderen Paaren oder mit einem Durchschnitt macht dabei absolut keinen Sinn, weil jede*r andere Bedürfnisse hat. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Wie sich die Qualität der Sexualität verändert hat, lässt sich schwer in Studien aufzeigen. Was wir auf alle Fälle wissen, ist, dass wir besser aufgeklärt sind, mehr verhüten und mehr über Sex wissen als früher. 

Welche Faktoren verhindern Sex? 

Vielen von uns rauben die Sozialen Medien und Netflix & Co. viel Zeit. Die Hauptfreizeitbeschäftigung der meisten Menschen ist Fernsehen. Ist der Serienmarathon wichtiger als unser Sexleben? Wird zu viel genetflixt und gechillt? Eines von den Problemen dabei ist, dass wir uns dank Streaming Anbieter wie Amazon Prime nicht mehr langweilen.

Auch wenn das nicht sehr romantisch klingt, aber wenn wir uns mit dem*der Partner*in langweilen, erhöht das die Chance auf Intimität.

Nach einem anstrengenden Arbeitsalltag steht vielen nicht mehr der Kopf zur gemeinsamen Intimität. Verlockender erscheint Netflix & Chill um sich zu entspannen. Für viele gehört Fernsehen zum Abendausklang dazu und sie können sich dabei vom Tag entspannen, dagegen spricht auch nichts. Die Frage ist nur: „Wie oft gewinnt die Serie oder das Handy, im Gegensatz zur Sexualität?“ 

©  Unsplash/Shane 

Kopf, Körper und das Verliebt sein

Sind wir in der Sexualität zu viel im Kopf und zu wenig im Körper? Wir wissen viel mehr über die Sexualität als noch vor einigen Jahren. In unserer Gesellschaft wird Leistung und Wissen immer mehr betont, der Körper wird hintrainiert und die Gefühle und Emotionen abgeschnitten. Sex lebt für viele auch von den Gefühlen der Lust, Begierde und Verlangen. Können wir dies überhaupt noch fühlen?

Viele kennen diese Emotionen vom Ersten verliebt sein in den*die Partner*in. Hormone überfluten unseren Körper und wir haben großes Verlangen nach der anderen Person. Stundenlange Gespräche, romantische Dates und ständig eine erotische Stimmung in der Luft. Dass dies kein Dauerzustand ist, ist auch gut so, denn das wäre auch viel zu anstrengend.

Um sich den Zauber des Anfangs zurückzuholen, sollte man die Dinge, die am Anfang der Partner*innenschaft für Leidenschaft gesorgt haben, wieder aufleben lassen und aktiv tun.

Immer mehr Singles

Auch wenn es gerne propagiert wird, dass sich Singles mit nur einem Wisch nach rechts Sex & Liebe holen können, sieht es in der Realität doch anders aus. „Sich durch die Betten zu tindern“ mag zwar für einige erstrebenswert sein, stellt jedoch viele vor einer Herausforderung. Denn die Überzahl der Mitglieder auf Dating-Plattformen suchen nach einer Beziehung mit dem*der perfekten Partner*in, dies erweist sich aber oft als schwierig, denn wer von uns ist schon perfekt? Singles warten auf die perfekte Beziehung und bleiben alleine.

© unsplash/Pratik Gupta 

Auch in Zeiten des Social Distancing wird es für Singles und den Sex nicht einfacher. Viele Singles haben wenig bis keine Sexualkontakte und sind unzufrieden mit ihrer Situation. Die meiste Intimität und Sexualität werden nach wie vor in Partnerschaften gelebt.

Lust auf Sex zurückholen

Das eigene authentische sexuelle Ich zur Entfaltung bringen, können wir nur, wenn wir uns weniger von außen unter Druck setzen lassen und auf uns hören. Wir brauchen keine Hetze und Leistungserwartungen im Bett, sondern Gefühle, Begehren und Kommunikation. Denn die Quantität der Sexualität ist nicht entscheidend, sondern wie genussvoll wir sie erleben. Dabei dürfen wir den Serienmarathon stoppen und uns die Zeit für diesen Genuss bewusst nehmen. 


Gastautorin

Claudia Janu

Claudia ist Sexualberaterin und spezialisiert sich auf das Thema weibliche* sexuelle Lust. Ihr Wunsch ist es, Menschen dabei zu begleiten ihre eigene sexuelle Kraft voll zu entfalten.

Facebook: Entfalte deine Lust | Instagram: claudia.janu

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