Viele meinen zu wissen, was der Begriff der Täter-Opfer-Umkehr bedeuten soll, doch wenn sie passiert, stecken meist viel komplexere Verwicklungen dahinter. Dieses Phänomen findet oft in getarnten und nicht auf den ersten Blick zu erkennenden Situationen statt und ist somit ein Thema, dass es aufzubrechen und laut auszusprechen gilt, um eine gesellschaftliche Bewusstseinsschaffung zu erreichen.
Was ist Täter-Opfer-Umkehr?
Der Begriff der Täter-Opfer-Umkehr im feministischen Kontext bedeutet die Verschiebung der Schuldzuschreibung an die Frau, die durch gesellschaftliche Machtverhältnisse vom Opfer in die Täterrolle gedrängt wird. Wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt und diese dann zu Hören bekommt:
Sie habe nicht richtig reagiert, sie hätte klarer kommunizieren müssen, sie hätte weglaufen müssen, sie hätte andere Kleidung tragen müssen: SIE hätte..., SIE hätte..., SIE hätte.
Das ist ein klassisches Bespiel einer Täter-Opfer-Umkehr. Das eigentlich klar zu erkennende "Opfer" wird gezwungen sich zu rechtfertigen, warum ein solcher Vorfall passiert ist, wodurch SIE wiederum zum "Täter" wird, denn SIE hätte dies ja vermeiden können. In weiterer Folge wird das Thema weitergetragen, wenn es zur Aufforderung kommt, den Mann anzuzeigen. Sehr viele Frauen verzichten auf eine Anzeige, da ihnen vonseiten der Behörden häufig großes Misstrauen entgegengebracht wird. Dieser Verlauf zeigt deutlich, dass die Frau - das offensichtliche "Opfer" in einer solchen Situation - gezwungen wird zu handeln und wenn sie dies nicht tut, sie den Vorwurf erhält, sie habe nicht richtig reagiert. Die tatsächliche Tat des Mannes gerät dabei in den Hintergrund.
Wo findet Täter-Opfer-Umkehr statt?
Überall! Man muss oft genau hinsehen, aber stattfinden kann die Täter-Opfer-Umkehr, sowohl im Privatbereich, als auch im Arbeitsleben. Häufig gibt es Situationen, die nicht der „klassischen Vorstellung“ von Vergewaltigung entsprechen (wobei auch der Vergewaltigungsbegriff ein dehnbarer ist) und doch tritt eine solche Umkehr auf. Die Strukturen von Machtverhältnissen spielen dabei oft eine große Rolle. Wenn ein derartiger Vorfall eintritt - das kann auch ein unpassendes Kommentar oder eine übergriffige Handlung bedeuten - werden oftmals Verhältnisse umgelegt, um dies nicht öffentlich werden zu lassen, wodurch das „Opfer“ (und sein Umfeld) gezwungen werden, sich nach neuen Strukturen zu richten.
Was können wir tun?
Bewusstmachung. Reflexion. Hinterfragen. Aufbrechen. Aussprechen. Laut sein. Stark sein. Stolz sein.
All das kann Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse nehmen. Je mehr Menschen Unbewusstes bewusst machen, desto schneller findet eine Stärkung der Frau in unserem Alltag statt.
Gastautorin
Lilith Huber
Die 24-jährige Lilith trägt den Feminismus bereits im Namen, denn nicht umsonst wird „Lilith“ die erste Feministin genannt. Durch ihr abgeschlossenes Bachelorstudium der Europäischen Ethnologie hat sich ihre Sicht auf feministische Alltagsprozesse verschärft. Ihre Leidenschaft für Kunst & Kultur lebt sie in ihrem Job an einem Wiener Theater aus und besucht zurzeit nebenbei noch einen Lehrgang zu Kulturmanagement.