Tatort: Beziehung

Tatort: Beziehung

„Sein Mandant fühle sich furchtbar“, sagt der Anwalt von Markus P., „aber sie habe ihn durch ihren Betrug in seiner Männlichkeit verletzt“. Markus P. ist einer von 33 Männern in Österreich die in diesem Jahr ihre Frau, Ex-Frau, Lebensgefährtin oder Freundin ermordet bzw. getötet haben. Dem Großteil dieser Taten liegen Emotionen wie Eifersucht oder verletzter Stolz zugrunde. Aufgrund der hohen Zahlen findet man knapp jede zweite Woche einen Zeitungsartikel, der von einem Tötungsdelikt an einer Frau in Österreich handelt. In den Medien werden diese Vorfälle oft als „Beziehungsdramen“ oder „Familientragödien“ bezeichnet. Mit dieser Ausdrucksweise werden die Taten verharmlost und nicht als das wahrgenommen was sie sind: Morde. Morde an Frauen.   Ich habe mich lange Zeit nicht näher mit dem Thema auseinandergesetzt, da mir das gesamte Ausmaß nicht bewusst war. Ausschlaggebend für eine intensivere Beschäftigung war der sehr empfehlenswerte Artikel von Christina Pausackl im Nachrichtenmagazin „profil“ Nr. 48/2018, in welchem auch die Tat von Markus P. angesprochen wird. In diesem spezifischen Fall hat mich, neben dem Verbrechen an sich, vor allem die Tatsache irritiert, dass ich die Erklärung von Markus P. verstanden habe. Ich betrachte sie nicht als Rechtfertigung oder Entschuldigung, aber unter dem Begriff „verletzte Männlichkeit“ kann ich mir etwas vorstellen. Schräger wird es, wenn wir die Situation aus der umgekehrten Perspektive betrachten. Eine Frau die ihren Mann aus gekränkter Weiblichkeit umbringt? Weder habe ich je von diesem Tatmotiv gehört, noch kann ich mir irgendetwas darunter vorstellen.  
Welches Idealbild von Männlichkeit herrscht demnach in unserer Gesellschaft, wenn alltägliche, menschliche Probleme bei manchen Männern so starke Kränkungen hervorrufen, dass Gewalt als letzter Ausweg gesehen wird? Und wie können wir dem entgegenwirken?
  Beziehungen sind kompliziert. Wenn zwei Menschen sich dafür entscheiden zumindest einen Teil ihres Lebens gemeinsam zu verbringen, kommt es über kurz oder lang auch zu Streitigkeiten. Manchmal vergrößern sich die Differenzen und führen in den schlimmsten Fällen zu psychischer oder physischer Gewalt. Sowohl auf der Opfer- als auch auf der Täterseite finden sich Personen beider Geschlechter. Trotzdem gab es 2018 in Österreich keinen Fall in dem eine Frau ihren Partner umgebracht hat.   Ich denke, dass Konfliktbewältigung und der Zugang zu den eigenen Emotionen hier eine große Rolle spielen. Während viele Frauen sich bei Trennungen oder anderen Problemen bei der besten Freundin/Mama/Arbeitskollegin ausweinen, kommt das Thematisieren der eigenen Gefühle in Männerfreundschaften manchmal zu kurz. Selbst unter den sogenannten „modernen“ Männern, zu denen ich einen Großteil der Männer in meinem Umfeld zähle, werden emotionale Themen oft ausgelagert und bestenfalls im leicht angeheiterten Zustand angesprochen. Natürlich geht jeder Mensch, unabhängig von seinem bzw. ihrem Geschlecht, anders mit einer psychischen Belastung um. Dennoch zählen Gespräche mit Vertrauenspersonen zu den bewährtesten Methoden der Trauerbewältigung. Ich weiß, dass viele Männer sehr wohl über ihre Gefühle reden. Ich richte jetzt jedoch einen Appell an alle anderen: Das nächste Mal wenn es einem eurer Freunde schlecht geht, sprecht ihn darauf an. Fragt ihn ob er darüber reden will.  
Versucht ihm das Gefühl zu geben, dass Trauer, Einsamkeit und Liebeskummer keine Zeichen von Schwäche sind. Dass jemand nicht weniger Mann ist, nur weil sich die Lebensgefährtin in eine andere Person verliebt hat.
  Mir ist bewusst, dass es viele Männer und auch Frauen gibt, die von diesem Thema nichts mehr hören wollen. Die bei jeglicher Erwähnung von #metoo die Augen verdrehen. Die jegliche Diskussion über Gewalt an Frauen durch Männer als feministisches Männerbashing betrachten. Speziell für diese Personen möchte ich noch erwähnen, dass seitdem ich mich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigt habe knapp ein Monat vergangen ist. Allein in diesem Zeitraum hat sich die Zahl der von ihren Partnern ermordeten Frauen wieder erhöht.  
Es ist längst Zeit geworden, dass der öffentliche Diskurs zunimmt.
  Dass wir alle darüber sprechen. Zusammen. Denn die Tatsache, dass eine von fünf Frauen in Österreich täglich Opfer von häuslicher Gewalt ist, lässt leider darauf schließen, dass wir uns auch zukünftig noch mit Verbrechen wie dem vom Markus P. beschäftigen müssen.
Viva La Vulva Gastautorin

Anna Schmeikal

Anna ist 23 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Salzburg und lebt seit knapp 4 Jahren in Wien. Sie hat Tourismusmanagement studiert und studiert jeztz nebenbei auch noch Politikwissenschaft.
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