Was steckt hinter dem Hashtag #KonsequenzenFürLuke?

Was steckt hinter dem Hashtag #KonsequenzenFürLuke?

Ein Jahr #Männerwelten – was davon heute übrig ist 

TW Sexualisierte Gewalt

Fast genau ein Jahr ist es nun her, dass Joko und Klaas mit ihrem 15-minütigen Beitrag „Männerwelten“ zur Prime-Time im Fernsehen auf Sexismus und sexualisierte Gewalt aufmerksam gemacht haben. In der Sendung führte Sophie Passmann gemeinsam mit prominenten Moderatorinnen wie Palina Rojinski durch verschiedene Kellerräume, in denen die fiktive Ausstellung Männerwelten zu sehen war: unerwünschte Penis-Fotos, sexistische Postings, Ausschnitte aus Chats, in denen Frauen* mit sexualisierter Gewalt bedroht und beleidigt wurden.

Der Beitrag ging durch die Decke. Die Sendung sahen 2,04 Millionen Zuschauer*innen live und auf Social Media erreichte das Video innerhalb weniger Tage mehr als 20 Millionen Aufrufe. Es wurde geliked, geteilt und getwittert. Betroffene teilten ihre Erfahrungen und es schien fast, als hätte man eine noch nie dagewesene Sensibilisierung für das Thema Sexismus und sexualisierte Gewalt erreicht. #metoo war endlich auch in Deutschland angekommen und bei Twitter trendete der Hashtag #Männerwelten.

#KonsequenzenFürLuke

Heute hat es ein anderer Hashtag an die Spitze der Twitter-Trends geschafft: #KonsequenzenFürLuke. Gemeint ist damit der Comedian Luke Mockridge, der sich mit Vorwürfen der sexualisierten Gewalt gegen seine damalige Ex-Freundin Ines Anioli konfrontiert sieht. Initiatorin des Hashtags ist Viva La Vulva-Gastautorin Jorinde Wiese, die die Konsequenzenlosigkeit der seit mehreren Monaten öffentlich bekannten Vorwürfe kritisiert.

https://twitter.com/jorinde_wiese/status/1379699402160402432?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1379699402160402432%7Ctwgr%5E%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.neues-deutschland.de%2Fartikel%2F1150513.konsequenzenfuerluke-mundtot-gemacht.html

Die Podcasterin und Comedian Ines Anioli hatte via Social Media und auch in ihren Podcasts bereits mehrmals ihre Erfahrungen und das Ende ihrer toxischen Beziehung thematisiert. Noch heute beschäftigen sie in ihrem neuen Podcast "Me-Time mit Ines Anioli" die schwerwiegenden Folgen der psychischen und physischen Gewalt, die ihr Ex-Freund auf sie ausübte. 

Ines Anioli spricht in der „Besser als Sex“-Podcastfolge „Woran erkenne ich eine toxische Beziehung?“ (ab Minute 21) über einen gewaltsamen Übergriff, der ihr in der toxischen Beziehung widerfahren war. Nachdem sie im Bett sexuelle Avancen des Ex-Freundes abgelehnt habe, habe er sie „gepackt und herumgewirbelt“, um die „schlechten Vibes aus ihr raus zu schütteln.“ Sie erzählt, wie sie versucht habe, sich aus „seinen Fängen zu befreien“ und ihm dabei mehrmals gesagt habe, dass sie das nicht will. Außerdem spricht sie von Schmerzen durch das Schütteln. Als sie es aus dem Bett flüchten wollte, habe er ihren Oberkörper auf das Bett gedrückt, ihr die Hose runtergezogen und angefangen an ihr „rum zu spielen“. Sie beschreibt, dass sie darüber nachgedacht habe, es einfach über sich ergehen zu lassen, als der Ex-Freund „zum Glück aufhört“ und von ihr abgelassen habe, mit den Worten:

„Boah, ich wollte dich jetzt einfach vergewaltigen, aber ich hab‘s dann doch nicht gemacht.“

Obwohl sie am nächsten Tag wegen der Rückenschmerzen, die durch das Schütteln entstanden seien, sogar einen Arzt aufgesucht habe, sei ihr erst durch das Teilen der Geschichte mit einer Freundin klar geworden, was eigentlich passiert war. 

https://open.spotify.com/episode/2RJWKzZyXgQQkRiJNqrMYz

Den Namen des Ex-Freundes nennt Anioli nicht. Trotzdem ist für viele klar, dass von Luke Mockridge die Rede ist. In ihren Instagram-Stories bestätigt Anioli nämlich, dass es der wäre, von dem alle denken, dass er es ist und dass jede*r es via Internetsuche mit lediglich zwei Klicks herausfinden könnte.

Die oben beschriebene Podcastfolge, in der Ines Anioli über den mutmaßlichen psychischen und körperlichen Missbrauch ihres Ex-Freundes spricht, erschien übrigens bereits im April 2019. Konsequenzen für Luke gibt es bis dato keine. 

Nun hat der Hashtag von Jorinde Fahrt aufgenommen und immer mehr Menschen fordern auf Twitter und Instagram #KonsequenzenfürLuke. Es gibt sogar eine adaptierte 5-Finger-Luke-Mockridge-Challenge.

via _rabelli_

So reagieren Sat1,Luke Mockridge & Joko und Klass (oder auch nicht) 

Durch ihren Aktivismus erntet Jorinde aber nicht nur Zuspruch und Solidarität. Es erreichen sie auch vermehrt Drohungen und Hassbotschaften. User beklagen eine vermeintliche Lynchjustiz und auch der Sender Sat1 regiert am 7.April wie folgt auf die Vorwürfe:

https://twitter.com/sat1/status/1379777619252686848

Dieses Statement ist für viele, die noch vor einem Jahr den Beitrag zu #Männerwelten gefeiert haben, ein Schlag ins Gesicht. #believesurvivers, der Vertrauensvorschuss für Opfer von sexualisierter Gewalt, ist anscheinend nicht nur in Österreich nicht angekommen.

via lotte.kri

Auch die viel gefeierten Helden hinter #Männerwelten Joko und Klaas bleiben stumm.

Von Luke Mockridge gibt es aktuell auch kein Statement.  

#Männerwelten 0 : Männerwelt 1 

Die Stellungnahme von Sat1 und der öffentliche Diskurs zu #KonsequenzenFürLuke zeigen, wie Täter weiterhin versteckt hinter vermeintlichen „Unschuldsvermutungen“ in einer #notallmen-Manie in Schutz genommen werden. Wie Prominente, zwar öffentlich zur PR-Zwecken gegen sexualisierte Gewalt auftreten, aber in konkreten Fällen schweigen. Wie Frauen* ihre Karriere auf Spiel setzen, wenn sie öffentlich über Missbrauch und Vergewaltigungen sprechen, und währenddessen mutmaßliche Täter an jeder Ecke von Plakaten grinsen. Wie man versucht Aktivist*innen zu bedrohen, mundtot zu machen. Und wie in Bezug auf Opfer von sexualisierter Gewalt immer wieder von „Lynchjustiz“ und „Suche nach Aufmerksamkeit“ gesprochen wird.

Hier wird klar, dass 15 Minuten Prime-Time und 4.3 Millionen Aufrufe auf YouTube nicht genug sind. Es handelt sich offensichtlich um ein strukturelles Problem, das wir alle theoretisch kritisieren, aber praktisch en mass weiterhin ignorieren. Und das tut weh. Vor allem den Frauen* die tagtäglich von Belästigung, Übergriffen und sexualisierter Gewalt betroffen sind. Denn welche Hoffnungen darf man sich machen, wenn wir weiterhin Frauen*, die mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit gehen, unter Generalverdacht der Aufmerksamkeitssuche und Rache stellen, während es für die Täter keine Konsequenzen gibt?

Wo sind jetzt die Menschen, die #Männerwelten gefeiert haben? Habt ihr den Hashtag #KonsequenzenfürLuke geteilt? Habt ihr an der 5-Finger-Challenge Luke Mockridge Edition teilgenommen? 

Was kann man tun?

Die Umstände machen viele von uns zu Recht enttäuscht und müde. Wir fühlen uns kraft- und machtlos. Gerade deshalb möchte ich kurz auf fünf Dinge eingehen, die man z.B. tun kann:

  1. Sprecht darüber. Teilt den Hashtag #KonsequenzenFürLuke und taggt die Sender Sat1 und ProSieben
  2. Macht bei der 5-Finger-Challenge Luke Mockridge Edition mit (Für mehr Informationen schaut euch die Story Highlights von Jorinde Wiese auf Instagram an)
  3. Wenn ihr wisst, was eine toxische Beziehung, gaslighting und Täter-Opfer-Umkehr ist und wenn ihr die Kraft dazu habt, klärt euer Umfeld auf. 
  4. Falls ihr es nicht wisst, geht auf Google und klärt euch selbst auf. Dann siehe Punkt 2.
  5. #believesurvivers, gib mutmaßlichen Opfern von sexualisierter Gewalt deinen Vertrauensvorschuss und nicht den Tätern!
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