Niemand hat gerne Schmerzen. Kaum jemand leidet wirklich gerne. Wenige wünschen anderen Schmerzen. Und doch sagt man monatlich zu Frauen: „Da müssen wir alle durch, das ist ganz normal!“
Aus irgendeinem Grund sind Regelschmerzen mit den Jahrhunderten zur komischsten Sache der Welt geworden. Während Männer in den Geschichtsbüchern immer als die starken Helden der Nation dargestellt sind, haben Frauen seit Anbeginn der Zeit jeden Monat auf’s Neue mit ihrem eigenen Körper zu kämpfen und bekommen, wenn’s hochkommt, einen einzigen Satz im Biologielehrbuch dafür.
Manche Frauen haben Glück und merken ihre Periode kaum. Andere merken sie mehr, aber finden das nicht weiter schlimm und wieder andere verzweifeln Monat für Monat, Jahr für Jahr an der Tatsache, dass ihre Schmerzen vielleicht doch nicht so normal sind, wie die der anderen. So auch ich.
Mit etwa 14 Jahren begann bei mir das, was damals noch als „etwas stärkere Periodenkrämpfe“ verstanden wurde. Bekam ich sie in der Schule, wurde mir von Lehrerinnen gesagt, das wäre die normalste Sache der Welt und Mitschülerinnen schenkten mir Schmerzmittel. Gebracht haben diese allerdings nie etwas, weswegen ich irgendwann das erste Mal eine Frauenärztin aufsuchte. Ein kurzes Gespräch und ein Bauchdeckenultraschall später, stand für sie fest, ich müsse einfach viel stärkere Medikamente nehmen, denn ihr würde nichts wirklich Ungewöhnliches auffallen. Einerseits war ich erleichtert, andererseits weiß ich heute, dass sie das, was meine Schmerzen tatsächlich ausgelöst hatte, durch einen einfachen Ultraschall von außen gar nicht erkennen konnte. Ein paar Wochen später bekam ich zu den üblichen Schmerzen starke Übelkeit, da ich die mir verschriebenen Schmerzmittel natürlich nicht vertrug.
In den nächsten Jahren habe ich mich daran gewöhnt, ein Mal im Monat eingeschränkt zu sein. Genau genommen nicht nur einen Tag im Monat, sondern ungefähr eine ganze Woche rund um das Datum, an dem ich vermutlich meine Tage bekommen würde. Denn wichtige Termine oder Urlaube wurden de facto nie in diesen Zeitraum gelegt und Tage davor saß ich oft schon wie auf heißen Kohlen. Nicht nur hatte ich also mit körperlichen Schmerzen, sondern inzwischen auch mit einer regelmäßigen psychischen Belastung zu kämpfen, zu der außerdem die Angst vor der Erklärung kam.
Wie erkläre ich anderen, dass ich es wegen meiner Periode einfach nicht zu ihrem Geburtstag schaffe? Wie sage ich, dass meine Schmerzen doch etwas anders sind, als die von anderen Frauen? Wie erkläre ich Schmerzen, von denen ich nicht mal genau weiß, ob ich einfach nur wehleidig bin oder ernsthaft krank?
Mit 20 war es mir irgendwann zu anstrengend. Zu anstrengend und zu blöd, mich immer wieder erklären zu müssen. Vor Freunden, vor Ärzten, vor meiner Familie. Ich weiß nicht mehr wie genau ich drauf gekommen bin, aber irgendwann erfuhr ich von der Krankheit Endometriose. Eine gutartige, chronische Krankheit, die allein in Österreich etwa 300.000 Frauen betrifft. Dabei treten sogenannte Herde aus Gewebe an Stellen im Unterleib auf, an denen sie sonst nicht üblich sind. In besonders schlimmen Fällen können sie sich sogar bis in den Bauchraum ausweiten und zu immer stärkeren Schmerzen führen, weil sie Blutungen auslösen, die schlecht abfließen können, was beispielsweise in Entzündungen oder Zysten enden kann. Viele Frauen haben allerdings keine Ahnung von ihrer Krankheit - bis sie einen Kinderwunsch hegen. Denn die Erfüllung dessen gestaltet sich für Endometriose-Patientinnen oft besonders schwierig.
Ich sprach also meinen sonst eher auf Homöopathie und „Wir wollen mal nicht den Teufel an die Wand malen“ spezialisierten Frauenarzt auf die Krankheit an. Er selbst konnte aber keinerlei körperliche Anzeichen erkennen. Nach ungefähr einem Jahr, in dem ich alle möglichen Teesorten, Lebensmittelverzichte und Tröpfchen ausprobiert hatte, alles ohne Erfolg, gab mein Frauenarzt schließlich auf und schickte mich zu einem Spezialisten. Der erkannte dann nach sechs Jahren monatlichem Leiden und Verzweifeln endlich, dass ich an Adenomyose leide; eine spezielle Form der Endometriose, bei der sich besagte Herde einzig in der Gebärmuttermuskulatur einnisten und so diese starken Schmerzen verursachen. Wirklich behandelbar ist das nicht und die meisten Ärzte raten einem auch von einer Operation ab, die die Herde entfernen soll. Nicht nur ist das oft sehr gefährlich, die Wahrscheinlichkeit, dass die Herde nach einem Jahr wiederkehren, liegt so hoch, dass sich das Risiko auch nicht wirklich lohnt.
Am Ende bleibt also nur die Symptombekämpfung. Deswegen nehme ich seit inzwischen fast zwei Jahren die Pille auf Langzeitzyklus, also ohne Pause. Ein- bis zweimal im Jahr muss ich trotzdem jeweils eine Woche auf sie verzichten. Die Schmerzen in dieser Zeit halten sich aber tatsächlich in Grenzen. Natürlich hat die Pille auch Nebenwirkungen, die manchmal nicht so angenehm sind, aber wenn man weiß, wie es sich anfühlt, stundenlang vor lauter Schmerzen ans Bett gefesselt zu sein, nicht aufstehen zu können und bereits Wut auf Wärmflaschen und alles um einen herum zu entwickeln, stören einen leichte Brustschmerzen oder anderes kein bisschen mehr.
Leider werden Themen wie die Periode und das was dazu gehört bis heute immer noch totgeschwiegen, was wahnsinnig traurig aber leider Realität ist.
Ich persönlich würde mir wünschen, dass keinem Mädchen und keiner Frau mit starken Regelschmerzen je wieder gesagt werden würde „Da müssen wir alle durch, das ist ganz normal!“. Denn in Sätzen wie diesem steckt kein einziger Funke Selbstbestimmung, sondern schlicht einfaches Hinnehmen von Einschränkung, Schmerz und Ratlosigkeit. Genau das Gegenteil von dem Feminismus, den wir eigentlich leben sollten.
Viva La Vulva Gastautorin
Yvonne Bargl
Yvonne Bargl beendet gerade ihren Bachelor in Politikwissenschaft an der Universität Wien. Daneben arbeitet sie bei den Junos, führt einen
Blog und betreibt seit 2017 einen
Podcast über die Probleme der Anfang 20er.